„Nacht“ bezeichnet die Phase zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Daraus resultiert auch ihre markanteste Eigenschaft: die Abwesenheit von Licht. Der Beginn der Dunkelheit markiert für die meisten Menschen das Ende eines Tages und leitet somit die Schlaf- und Erholungsphase ein. Ausgenommen davon sind diejenigen, die nachts arbeiten oder nachtaktiv sind.
Während die meisten Dinge in der Dunkelheit der Nacht unsichtbar werden, treten andere erst dann in voller Gänze in Erscheinung. Ein Nachtgestirn fällt aufgrund seiner Größe von rund 3476 km Durchmesser dabei besonders ins Auge: der Mond. Er ist neben der Sonne der hellste Himmelskörper und der einzige natürliche Satellit der Erde. In rund 384.400 km Entfernung umkreist er für den irdischen Beobachter scheinbar täglich die Erde, wenngleich er dafür in Wirklichkeit 27 Tage, 7 Stunden und 43,7 Minuten benötigt. Durch seine verhältnismäßig geringe Entfernung zur Erde ist er der bis dato einzige von Menschen je betretene Himmelskörper. Auch wenn der Mond sehr gut erforscht ist, gibt es nach wie vor einige Unklarheiten, insbesondere in Bezug auf seine Entstehung. Klar hingegen ist, dass von ihm seit Jahrtausenden eine besondere Faszination ausgeht. Durch seine Gravitation nimmt er Einfluss auf Naturphänomene wie Ebbe und Flut oder auch das Fortpflanzungsverhalten mancher Lebewesen. Einer der wichtigsten Einflüsse des Mondes auf uns Menschen ist von kultureller Bedeutung: Monate beschreiben die Zeit, die der Mond braucht um der Erde seine Phasen zu zeigen. Bis heute dient der Mond für kalendarische Ordnungen zyklischer Strukturen.
Etwa 92 Prozent der Deutschen glauben laut Forsa-Umfrage daran, dass der Mond auch einen unmittelbaren Einfluss auf den Menschen hat. Höhere Geburtenraten, Suizide, Unfälle oder Schlaflosigkeit dank Vollmond konnten Wissenschaftler in Studien jedoch widerlegen. Die Wirkung des Mondes auf den Menschen ist jedoch nicht in seiner Naturkraft begründet. Vielmehr erklärt sie sich in der Wahrnehmung und der Gefühlswelt des Menschen. Naturereignisse wie Vollmond oder eine Mondfinsternis hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Die Nasa schrieb 1969 mit der Apollo 11 Crew um den berühmten Astronauten Neil Armstrong, der als erster Mensch die Mondoberfläche betrat, Geschichte. Fünfzig Jahre später feiert der Mond nun sein Comeback als beliebtes Raumfahrtziel. Forscher planen für 2024 eine temporär bemannte Raumstation, ähnlich der ISS, im Mondorbit. Auch für Politiker ist der Mond wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Neben wissenschaftlichen Erkenntnissen erhoffen sie sich vor allem nationales und internationales Prestige. Hatte sein Vorgänger Barack Obama den Mars im Visier, plant der aktuelle amerikanische Präsident Donald Trump die amerikanische Vorherrschaft im Weltraum mit einer eigenen Space Force samt Raumstation auf dem Mond. Chinas Plan, eine unbemannte Sonde auf der Mondrückseite landen zu lassen – ein bisher ungewagtes Unterfangen – ist bereits aufgegangen: die Sonde Chang’e 4 landete im Januar 2019 erfolgreich auf der Mondoberfläche. Während die Amerikaner den Wettlauf um die Reise zum Mond gewonnen haben, ist das Rennen um seine permanente Besiedlung in vollem Gange. Eine zukünftige Mondbesiedlung wäre ein erster Schritt der Kolonialisierung des Weltraums und somit eine Chance auf das Überleben der Menschheit. Die Vorstellungskraft ist der größte Entwicklungsmotor, den wir Menschen besitzen. Was heute noch Fiktion ist, kann in 60 Jahren schon Realität sein.
Mein Buch Reise zum Mond versteht sich als kleine Hommage an den Mond als Sehnsuchtsort des Menschen. Bilder der Apollo-Missionen des Nasa-Archivs aus den Jahren 1969 bis 1972 zeigen die wissenschaftliche bzw. reale Reise zum Mond. Diesen gegenüber stehen Screenshots aus dem Science-Fiction-Film Le Voyage dans la Lune von Georges Méliès aus dem Jahr 1902. Der Stummfilm basiert u.a. auf dem Roman Von der Erde zum Mond von Jules Verne, der die Mondfahrt um etwa hundert Jahre vorweg nimmt. Textauszüge aus diesem Roman sowie dem Funkverkehr der Apollo-Crews ergänzen das Bildmaterial. Abgesehen vom Bildmotiv unterscheiden sich beide Ebenen durch die Verwendung unterschiedlicher Formatgrößen, Typografie und Farbigkeit. Das Buch erzählt seine eigene Geschichte von der Reise zum Mond indem Fiktion (Méliès, Verne) und Fakt (Nasa) sowohl auf der Typo als auch der Bildebene zusammenwirken: mal liegt die fiktive Ebene auf der realen und umgekehrt. Manchmal sind sie, je nach Inhalt, komplett voneinander getrennt oder fest miteinander verwoben. Dabei kann der Betrachter selbst die fiktionale Bildebene durch Auf- oder Zuklappen der jeweiligen Papierformate selbst offenlegen oder verbergen. Das großzügige Grundformat von 25 cm x 35 cm ist angelehnt an die Weite des Weltraums und bietet Bildern und Typografie viel Wirkungsfläche. Textauszüge aus dem Roman von Jules Verne zu Beginn des Buches sind versal in der Schrift Knif Mono gesetzt und laufen über die gesamte Formatbreite. Die Knif Mono ist eine Monospace-Schrift, angelehnt an das Schriftbild von Schreibmaschinenschriften, die durch ihre scharfkantigen Serifen allerdings vielmehr kalligrafisch als technisch wirkt und somit die Ebene der Fiktion (bzw. des Mystischen) typografisch-ästhetisch unterstreicht: die Zitate wirken wie in Stein gemeißelt. Textauszüge in Typewriter-Schrift aus der originalen Funkübertragung der Apollo 11 Mission bilden das Pendant auf der realen Ebene. So schwirren die Funksprüche in Weiß auf schwarzem Hintergrund sinnbildlich im Weltall umher, sind sozusagen „lost in space“.
Das Cover greift das Prinzip des Inhaltes auf: die Typo ist auch hier „lost in space“ und muss vom Betrachter wie eine Art Sternbild zusammengesucht werden. Der Buchrücken dient wie der Bund im Innenteil des Buches als Schnittstelle zwischen Fakt und Fiktion. Die offene Fadenheftung ohne festen Umschlag (bzw. Hardcover) mit ungestrichenem Papier in Warmweiß soll haptisch an den Flugplan der Apollo-Mission erinnern, die aus einer Sammlung von Einzelblättern ohne Umschlag bestand und nur mit Ringösen zusammengehalten wurde. Der schwarze Faden im Buchrücken steht sinnbildlich für den – inhaltlich wie formal – roten Faden des Buches: das Schwarz, die Dunkelheit und das Unbekannte des Weltraums.
Ein Projekt von Lea Ricking
Seminar: Nachts …
4. Semester