No Excuses!








Bewegungsmelder sind im Raum installiert. Geht man daran vorbei, wird man aufgefordert zu einer selbstoptimierenden Handlung





Datenblätter als Rohstoff und Kapital, ausgelesen aus Stefis Selbstoptimierungs-Apps zum mitnehmen. Auf der andren Seite steht das Konzept zum Projekt






Konzept

Daten werden zusehends zu einem der wichtigsten Rohstoffe unserer Zeit. Große Internetunternehmen, die mit dem Sammeln und Auswerten von Nutzerdaten zu Werbezwecken Geld verdienen, gehören zu den wertvollsten Konzernen weltweit.

Digitale, vernetzte Technik rückt immer mehr an den Menschen selber heran. Fast jeder trägt heutzutage ein Smartphone mit sich herum; Sensoren jeder Art werden immer kleiner und günstiger. So wird auch für jeden Einzelnen das Sammeln von Daten möglich: Für jeden Lebensbereich, sei es Fitness, Ernährung, Gesundheit, Finanzen, Schlaf, Produktivität oder Gewohnheiten, gibt es Apps und kleine, tragbare Geräte die beim Sammeln der daraus entstehenden Informationen helfen, diese auswerten und beim Optimieren von Werten und Verhalten unterstützen. Verfechter dieses Quantified Self sehen objektive Zahlen als Hilfe zur Lösung persönlicher und globaler Probleme. Durch sie ist es jedem möglich, ein über sich selbst genau informierter und damit gesünderer, produktiverer – besserer Mensch zu werden. Gleichzeitig begibt man sich durch sie auf die Suche nach sich selbst. Es gilt, erst das alte Ich zu erkennen und zu durchdringen, um es schließlich zu einer neueren, besseren Version zu bearbeiten.

Die Ziele dahinter sind nicht neu, nur der Weg dort hin verspricht, durch Daten und Kontrolle durch Algorithmen, einfacher zu sein. Selbstvermessungs- und Optimierungsapps scheinen der ideale, moderne, unterhaltsame Weg zum besseren Leben. Sie geben Tipps, erinnern ans Loggen, sind programmiert zu motivieren und werden zum ständigen persönlichen Coach. „Iss einen gesunden Snack!“, „Was machst du gerade?“, „Weiter so!“.

Wieso sollte man sich also selber die Mühe machen, seinen Alltag zu organisieren, wenn objektive, vernünftige Software auf dem Smartphone an alles erinnern und die richtigen Verhaltensweisen vorgeben kann?

Ich entwerfe mit meiner Arbeit einen kurzen Ausschnitt einer Dystopie, in der Apps jeden mit ihren Anweisungen und Ratschlägen verfolgen. Es werden schließlich immer mehr, sodass man sie nicht mehr verstehen, geschweige denn ihnen gerecht werden kann. Es kommt zum Gefühl völliger Überforderung und Chaos.

Genauso wie die Anforderungen der Apps führt auch die Suche in den Massen von persönlichen Daten zu einer Jagd nach einem Stück Wahrheit, die schließlich außer Kontrolle gerät.

Die beschriebene Gefühle von Verfolgung, das Chaos und den Kontrollverlust realisiere ich als Rauminstallation aus Sound und Videoprojektionen.

In einem Selbstvermessungsversuch sammle ich über den Zeitraum einer Woche aus verschiedenen Lebensbereichen Daten von mir. Ich protokolliere außerdem die Anweisungen, die die verschiedenen Apps mir geben.

Die erinnernden, mahnenden Nachrichten hole ich aus der digitalen, schriftlichen Darstellungen heraus, gebe ihnen eine Stimme und lasse sie so lebendig werden.

Einzeln, durch Bewegungsmelder ausgelöst, verfolgen sie Passanten. So wird die ständige Präsenz der Optimierungsapps auf dem Smartphone spürbar gemacht. Dieses Leitsystem führt zu dem Raum, in dem sich der zweite Teil der Installation befindet.

Auch in diesem Raum melden die Stimmen sich ständig mit guten Ratschlägen und Anweisungen. Gleichzeitig wird in vier an die Wände projizierten Filmen meine Suche in den gesammelten Daten gezeigt.

Die Stimmen werden immer zahlreicher und lauter. Mein Scrollen durch Datentabellen und Analysieren von Grafiken wird immer hektischer. Beides steigert sich immer weiter, sodass man als sich Betrachter schließlich in einem akustischen und visuellen Chaos befindet; der anfangs dunkle, ruhige Raum wird erfüllt von Lärm und hell flackernden Wandprojektionen.

Das Chaos endet abrupt in Stille und Dunkelheit.

Meine in dem Selbstvermessungsexperiment gesammelten Daten tauchen in der visuellen Darstellung der Installation auf und liegen ausschnitthaft ausgedruckt mit dem Konzept und Informationen zur Installation aus.

Ich gebe damit einen Teil meiner Daten, von mir, umsonst weg und imitiere damit den Umgang den wir momentan mit unserem persönlichen Daten pflegen.

Bachelorprojekt von Stefanie Lichtenberg
Erstprüfer: Ulrike Brückner
Zweitprüfer: Prof. Walk